Rechtsanwälte HSH

In einer Einbahnstraße darf man nicht rückwärts entgegen der erlaubten Fahrtrichtung fahren, auch nicht, um

einen Anderen ausparken zu lassen, entschied nun der BGH.

Fahrzeug 1 will in der Einbahnstraße aus einer parallel zur Fahrbahn verlaufenden Parklücke ausparken. Fahrzeug 2 fährt - in der vorgeschriebenen Richtung - auf Fahrzeug 1 zu. Fahrer 2 hält an und setzt ein Stück zurück, damit Fahrer 1 rangieren und er selbst in die Parklücke einfahren kann. Fahrzeug 3 befindet sich hinter Fahrzeug 2 und parkt rückwärts aus einer rechtwinklig zur Fahrbahn verlaufenden Einfahrt aus. Fahrzeug 2 und 3 stoßen zusammen.

Fahrer 2 war der Meinung, Fahrer 3 habe beim rückwärts Ausfahren aus der Einfahrt nicht auf den Verkehr auf der Straße geachtet - ein Verstoß gegen § 10 S. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO). "Wer aus einem Grundstück [...] auf die Fahrbahn einfahren" will, muss ich danach so "verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist". Fahrer 3 hielt dem entgegen, er habe nicht auf einen vorschriftswidrigen Verkehr achten müssen. In einer Einbahnstraße müsse er nur den Verkehr in der vorgeschriebenen Fahrtrichtung im Blick haben, Fahrer 2 kam aber aus der anderen. Fahrer 3 klagte auf vollen Schadensersatz. Das Amtsgericht gab dem Kläger recht. Das Berufungsgericht sah dieses anders und wies die Klage ab.

Der Bundesgerichtshof:

Das Vorschriftszeichen 220 in Verbindung mit § 41 Abs. 1 StVO gebietet, dass die Einbahnstraße nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden darf. Lediglich unmittelbares Rückwärtseinparken ("Rangieren") ist - ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße - kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung. Demgegenüber ist Rückwärtsfahren auch dann unzulässig, wenn es dazu dient, erst zu einer (freien oder freiwerdenden) Parklücke zu gelangen.

Entsprechendes gilt, wenn das Rückwärtsfahren dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einfahren zu können.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht kein Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß des Klägers gegen § 9 Abs. 5 , § 10 Satz 1 StVO. Zwar kann bei einem Unfall im Zusammenhang mit dem Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf eine Straße grundsätzlich der erste Anschein dafür sprechen, dass der rückwärts Einfahrende seinen Sorgfaltspflichten nicht nachkam und den Unfall dadurch (mit)verursachte. Jedoch liegt hier die für die Anwendung des Anscheinsbeweises erforderliche Typizität schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte zu 1 die Einbahnstraße in unzulässiger Weise rückwärts befuhr.

Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung zurück.