Rechtsanwälte HSH

Beilackierungskosten und die fiktive Abrechnung

Klare Worte des Bundesgerichtshofs zum Beweismaß im Falle fiktiver Abrechnung.

 

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 17.09.2019, VI ZR 494/18, zum Maß notwendiger Überzeugung im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO (hier: Berücksichtigung von sogenannten Beilackierungskosten im Rahmen fiktiver Schadensabrechnung) befasst.

In den Urteilsgründen führt das Gericht aus, dass die Angaben des Sachverständigen zur Höhe der voraussichtlich anfallenden Reparaturkosten nicht verbindlich den Geldbetrag bestimmen, der im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich ist. Bei fiktiver Abrechnung ist vielmehr der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufriedengibt. Den zur Herstellung objektiv erforderlichen (ex ante zu bemessenden) Betrag hat das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu ermitteln.

Weiter, dass es in der Natur der Sache liegt, dass bei der fiktiven Abrechnung eines Fahrzeugschadens - auch hinsichtlich anderer Positionen - stets eine (gewisse) Unsicherheit verbleibt, ob der objektiv zur Herstellung erforderliche (ex ante zu bemessende) Betrag demjenigen entspricht, der bei einer tatsächlichen Durchführung der Reparatur angefallen wäre oder anfallen würde. Unter Hinweis auf diese verbleibende Unsicherheit darf sich ein Gericht nicht der ihm obliegenden Aufgabe entziehen, eine Schadensermittlung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmen und insoweit zu prüfen, ob ein Schaden überwiegend wahrscheinlich ist.

Der gerichtliche Sachverständige hatte in der von dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme ausgeführt, eine Beilackierung angrenzender Karosserieteile sei aus Sicht vor der Reparatur als erforderlich anzusehen, wenn es sich um eine Effektlackierung handele, das beschädigte Karosserieteil erneuert werden müsse, und sich ein unmittelbar angrenzendes Karosserieteil in gleicher Ebene und im optisch wahrnehmbaren Bereich befinde. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben.

Damit lagen nach der von dem Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass im vorliegenden (Einzel-)Fall eine Beilackierung zur Wiederherstellung des vor dem Unfallereignis bestehenden Zustands objektiv erforderlich war. Mit diesem Beweisergebnis hätte sich das Berufungsgericht im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Schadensbemessung umfassend und widerspruchsfrei auseinandersetzen müssen.

Der 6. Senat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das landgericht als Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die Schadensermittlung unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut vornehmen kann.

 

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