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Wohnraummietrecht: der Bundesgerichtshof mahnt die Instanzgerichte

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23.05.2019 in zwei Entscheidungen seine Rechtsprechung zu der Frage präzisiert, wann ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte verlangen kann (§ 574 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).

 

 

Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen - Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18 und Urteil vom 22.05.2019, VIII ZR 167/17 - das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen, insbesondere zum Bestehen von Härtegründen. Da sowohl auf Seiten des Vermieters wie auf Seiten des Mieters grundrechtlich geschützte Belange (Eigentum, Gesundheit) betroffen sind, sind eine umfassende Sachverhaltsaufklärung sowie eine besonders sorgfältige Abwägung erforderlich, ob im jeweiligen Einzelfall die Interessen des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses diejenigen des Vermieters an dessen Beendigung überwiegen (§ 574 Abs. 1 BGB).

 

Allgemeine Fallgruppen, etwa ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, in denen generell die Interessen einer Partei überwiegen, lassen sich – entgegen einer teilweise bei den Instanzgerichten anzutreffenden Tendenz - nicht bilden. So werden sich etwa die Faktoren Alter und lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden Verwurzelung im bisherigen Umfeld je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters unterschiedlich stark auswirken und rechtfertigen deshalb ohne weitere Feststellungen zu den sich daraus ergebenden Folgen im Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels grundsätzlich nicht die Annahme einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB.

 

Werden von dem Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels indes substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend gemacht, haben sich die Gerichte – wie der Senats bereits mit Urteil vom 15. März 2017 (VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474) ausgesprochen hat - beim Fehlen eigener Sachkunde regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann.

 

Diese Rechtsprechung hat der Senat nunmehr dahin präzisiert, dass ein Sachverständigengutachten regelmäßig von Amts wegen einzuholen sein wird, wenn der Mieter eine zu besorgende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes durch ärztliches Attest belegt hat. Auf diese Weise ist zu klären, an welchen Erkrankungen der betroffene Mieter konkret leidet und wie sich diese auf seine Lebensweise und Autonomie sowie auf seine psychische und physische Verfassung auswirken. Dabei ist auch von Bedeutung, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen mittels Unterstützung durch das Umfeld beziehungsweise durch begleitende ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen mindern lassen. Nur eine solche Aufklärung versetzt die Gerichte in die Lage, eine angemessene Abwägung bei der Härtefallprüfung des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB vorzunehmen.

 

Bei Interesse an weiteren Einzelheiten finden Sie die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes zu den zum Zeitpunkt der Einstellung dieses Artikels nicht veröffentlichten Entscheidungen über den nachstehenden Link.